Die härteste Yoga-Klasse der Welt ... Über die einzigen Lemuren, die morgens meditieren
Spaß ist eine Sache, Yoga eine andere. Und die wird verdammt ernst genommen in diesem Nebelwald: Pünktlichkeit ist oberstes Gebot. Ausnahmen und Alleingänge gibt es keine, und wer die falsche übung turnt, hält sich in Zukunft besser raus. Zumindest so lange, bis er wieder den korrekten Ablauf verinnerlicht hat. Wohlgemerkt: Es sind keine drahtigen Fitness-Jünger, die hier Körper und Geist stählen, sondern eine Horde Katta-Lemuren aus dem Dschungel Madagaskars, die jeden Morgen mit den immer gleichen Übungen die aufgehende Sonne begrüßen. Mit andächtig geschlossenen Augen und unbewegter Miene. Gerade so, als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt, dass Affen im Gleichklang turnen. Und, nun ja - auf dieser Insel trifft das sogar zu...
Auf Madagaskar sind alle 33 Lemuren-Arten der Welt heimisch: Es gibt winhige Mausmakis, denen trotz ihrer Größe von kaum zehn Zentimetern Sprünge von bis zu elf Metern gelingen; Varis, die ihre Jungen lehren, Baumstämme wie Spechte nach Käfern abzuklopfen. Und eben Kattas, die neben ihren Meditationsübungen übrigens auch eine Vorliebe für ordentliche Schlachten haben. Die allerdings werden ausnahmslos mit körpereigenen Duftdrüsen ausgefochten, und höchstes Ziel ist es, so viele Gegner wie möglich einzunebeln. Meist ziehen die Tiere im Pulk los, allesamt schwer parfümiert und damit sozusagen bis an die Zähne bewaffnet. Vorteil für den Gegner: Der nahende Angriff künditgt sich immer rechtzeitig an. Und Verletzte gibt es sowieso nie. "Eigentlich müssten Lemuren längst ausgestorben sein", sagt die Tierärztin Annie Hall. "Zwar bevölkerten sie einst alle Kontinente, wurden dann aber von den Affen verdrängt." Die hatten mehr Hirnmasse, waren stärker, geschickter - und überlebensfähiger. Statt sich amüsanten Spielchen hinzugeben, bauten sie ihre Reviere aus. Und trieben die Lemuren zurück auf ein Stück Land, das sich schließlich, vor 60 Millionen Jahren, von Afrika löste und heute die viertgrö0ßte Insel der Welt bildet. "Weil damals weder Affen noch Raubtiere an Bord waren, kennen die Lemuren auf Madagaskar bis heute keine natürlichen Feinde", sagt Hall. Doch genau darin liegt auch ihr Fluch: Sie haben keine Furcht. Die Halbaffen stehen inzwischen auf der Lieste der bedrohten tierarten - sie sind zu einer begehrten Jagdtrophäe geworden. Von den Varis etwa leben nur noch 30 Stück in freier Natur. jetzt sollen Nachzucht-tTiere aus Zoos den Gen-Pool vergrößern. Bisher sind die Aussichten gut: Vier von fünf ausgesetzten Tieren überleben. Und so muss es auch sein. Denn wer sonst wird die Sonne so wundervoll begrüßen, wenn nicht die meditierenden Kattas von Madagaskar?