Mit angehaltenem Atem kauern die Männer hinter der Tür. "In Zweiergruppen ausschwärmen", bedeutet ihnen ihr Anführer nur mit ominösen Handzeichen. Und: "Gelände sondieren". Doch seine Kameraden schütteln den Kopf. Auf gar keinen Fall! "Ex, ich dachte, wir wollten nur das Auto erreichen und sofort losfahren", flüstert einer aufgebracht. "Ich bin doch nicht lebensmüde!". Automatisch richten sich die Blicke der Männer erneut auf den kleinen Vorgaren: Dort, keine 150 Meter entfernt, suhlt sich gerade ein ausgewachsenes Nilpferd gemüsslich in einem Gemüsebeet. Zwei Tonnen Lebensgewicht, die zwischen ihnen und dem Auto liegen. "Die erreichen Spitzengeschwindigkeiten von 48 km/h", erklärt einer der Männer leise. "Und sie sind kurzsichtig. Was ist, wenn es uns mit einem Feind verwechselt und vor Wut niedertrampelt?" Aber der Anführer will nichts davon hören: "Jetzt stellt euch nicht so an - ihr wisst genau, dass Nikica uns nichts tut. Sie bricht doch jedes jahr bei Hochwasser aus dem Zoo aus und zieht durch die Dörfer...!"
Recht hat der Mann: Nikica ist ein Flucht-Profi. Sobald die jährlichen Regenfälle das Dorf Plavnica in Montenegro überfluten, überschwimmt die Hippo-Dame kurzerhand den Zaun ihres Geheges. Das Dumme daran ist: Sie kann erst wieder eingefangen werden, wenn die Fluten sinken - trockene Ausweich-Gehege gibt es nämlich nicht. Das kann ein paar Tage dauern - oder gleich zwei Wochen. "Das ist nicht so schlimm", winkt Zoo-Direktor Nikola Pejovic ab. "Mittlerweile ist Nikica so ortskundig, dass sie einfach nacheinander die umliegenden Bauernhöfe abklappert und vor dem Pool des Hotels kampiert. "Viel lästiger sind die eher die Reporter, die dem Hippo in Scharen nachjagen - in diesem Jahr war der Ansturm so groß, dass Pejovic der flüchtigen Nilpferddame gleich zwei Bodygards zur Seite stellen musste. Immerhin: "Nikica ist ausgesprochen wohlerzogen", beteuert er. "Aber sie schätzt es gar nicht, wenn man sie aus Versehen tritt oder so." Eine Aussage, die beinahe zu einer internationalen Sicherheitskrise führte - als albanische Zeitungen mutmaßten, das "aggressive montenegrinische Nilpferd" könne womöglich unerlaubt über die Grenze flüchten.
Natürlich hatte Nikica nichts dergleichen vor: Sobald ihr Gehege wieder bwohnbar war, fand sie sich artig im Zoo ein. Dank der großzügigen Bauern ein wenig runder als zuvor. Und umweht vom Duft eine großen Abenteuers....
Dorothee Teves
Quelle: Ein Foto und seine Geschichte, TV Hören und Sehen, 6/10