Der Bau meiner Stallungen hat mehr gekostet als der Bau eines Luxushotels, und ich vermute, dass meine Pferde mehr Bedienstete haben als die Königin von England. Die Säulen ihrer Boxen sind von Statuen aus Gold gekrönt und ihre Zaumzeuge mit Silberfäden durchwirkt. Für meine Pferde habe ich ein Schwimmbad mit olympischen Ausmaßen bauen und 100 Hektar Weiden inmitten der Wüste erschaffen lassen; und einmal in der Woche lasse ich mit meinem Privatjet frisches Heu aus Irland einfliegen. Jedes Mal, wenn Gäste aus Europa zu Besuch kommen, führe ich sie durch diese Stallungen, und immer sehen sie mich mit fragenden Augen an. "Es sind doch nur Pferde", denken sie. "Warum ein Vermögen investieen?"
Nun, ich will es erklären: Die arabische Sprache kennt zwölf verschiedene Begriffe für das Wort Pferd. Die Beduinen nannten diese Wesen "Kaidol Ewabid", die Schnellsten der Geschöpfe; sie gaben ihnen die Namen "Kerim", die Großmütigen, "Eth-Thirf", Donner der Erde. Vor allem aber nannten sie ihre Pferde "Arab" - geboren von edelstem Blut. In ihrem Glauben stand jeder Reiter auf dem Rücken eines arabischen Pferdes unter dem Schutz Allahs; und einem Mann, der ein solches Tier sein Eigen nannte, sollten alle Sünden vergeben sein. Die Beduinen teilten soar ihre Zelte mit diesen Pferden. Sie schliefen Seite an Seite mit Weibern und Kindern, aßen dieselbe Nahrung, und die besten Pferde waren so wertvoll, dass sie keinen Preis hatten. Nicht für alles Gold konnten sie erworben werden, denn sie waren mehr als nur Reittiere. Sie waren die Kraft, die das Überleben sicherte: Diese Pferde verliehen Mut im Kampf, Ausdauer in der Wüste, Flügel auf der Flucht, Wärme in der Nacht.
So zumindest erzählt es die Legende des arabischen Pferdes, und vielleicht ist das der Grund, weshalb diese Tiere Spitzenpreise von 7,5 Millionen Euro erzielen. Ich vermute, die Menschen glauben, allein derartige Summen rechtfertigen den Bau von Luxus-Stallungen wie den meinen - zum Schutz der teuren Pferde, die so viel Geld einbringen können. Doch die Wahrheit ist, dass der Wert dieser Geschöpfe nicht bezifferbar ist. Ich habe die Geburt fast aller meiner Pferde erlebt. Ich sah sie heranwachsen, und ich habe sie im Tode begleitet. Ich kenne ihre Spiele, ihre Ängste und ihre Freuden - und alles, was ich habe, will ich mit ihnen teilen. Die Vorfahren meiner Pferde begleiten meine Familie seit fast 1500 Jahren. All meinen Besitz verdanke ich ihnen, denn meine Vorvöter erkämpften den Reichtum einst auf dem Rücken dieser Tiere. So möchte ich nur eines sagen: Meine Pferde sind nicht wie meine Söhne. Sie sind meine Söhne.
Aufgezeichnet von Dorothee Teves
Quelle: Ein Foto und seine Geschichte, TV Hören und Sehen, 43/09