Acht junge Damen am Rande der Gruppe hören es als erste - dieses satte Rauschen im Schnee; ein Schnurren, das verheißungsvoll nach Abenteuer klingt. Sie verrenken sich die Hälse, beginnen aufgeregt zu schnattern. Und tatsächlich: "Yiieeek!" - dort kommen sie! Hysterisch kreischend beginnen die Mädels auf ihren dicken Füßchen zu hüpfen - sie wollen einen Blick auf ihre Helden erhaschen, eine Berührung, ein....ach, einfach alles! D4enn dort, direkt vor ihnen, rauschen gerade die sechs begehrtesten Junggesellen der Antarktis heran - und nicht etwa ungelenk auf ihren Bäuchen, wie es Usus ist, sondern verwegen wedelnd in eleganten Kurven. Noch bevor sie die Ebene erreicht haben, herrscht hoffnungslose Hysterie, denn in einem sind sich mittlerweile Millionen Pinguinweibchen einig: Diese sechs Kerl sind verdammt cool!
Kopfschüttelnd beobachtet Terry O'Brian die Szene durch sein Fernrohr. Seit Monaten wiederholt sich das gleiche Schauspiel, wo immer die sechs Goldschopfpinguine auftauchen: "Es geht schlimmer zu als auf jedem Popkonzert", sagt der Verhaltensforscher. Dabei dürften die Männchen eigentlich kaum Beachtung bekommen - normalerweise sind Pinguine nämlich monogam. Streng monogam. "Gut, bisher hat noch kein Weibchen seinen Partner ernsthaft für einen der Jungs verlassen", räumt O'Brian ein, "aber die Kerle sorgen definitiv für Unruhe". Und alles, weil sie diesen Trick mit dem Schnee-Surfen perfektioniert haben: "Statt wie jeder andere Pinguin auf dem Bauch die Abhänge hinunter zu rutschen, surfen sie rasant auf ihren Füßen durch den Schnee - und das auch noch in Formation", erklärt der Forscher. "Damit schinden sie natürlich mächtig Eindruck - sie wirken größer, stärker - und so viel aufregender als die bauchschlitternde Konkurrenz." Dabei vermutet O'Brian, dass der Anführer der Truppe - ein Fünfjähriger namens Iceman - den Trick aus schlichter Langeweile erfand: "Er konnte im vergangenen Herbst kein Weibchen erobern und hat sich die Zeit mit ein paar Kumpels und lauter Spielereien vertrieben."
Nun - an Kandidatinnen dürfte es Iceman und seinen Freunden nicht mehr mangeln. Die kommende Brutsaison ist gesichert. Und nicht nur für die sechs kleinen Helden: Abseits der frequentierten Hänge beobachtete O'Brian gerade eine Gruppe männlicher Pinguine - allesamt gebundene Herren, die sich schamhaft am Hang drängelten, um selbst einmal dieses neuartige Manöver zu erproben. Und ja, natürlich haben sie dabei viele peinliche Bauchklatscher hingelegt. Es sah sogar recht komisch aus. Aber wie heißt es: Übung macht den Meister. Und was tut ein Mann nicht alles, um das Herz einer Dame zu gewinnen.
D. Teves
Quelle: Ein Foto und seine Geschichte, TV Hören und Sehen, 23/09