"Mein geliebtes Charlottchen" - so beginnen all die Briefe und all die kleinen Zettel, die du mir jemals geschrieben hast. Oft waren es nur kurze Notizen, in denen stand, dass ich noch an dieses oder jenes denken solle; manchmal lag ein Zeitungsausschnitt dabei, von dem du meintest, er sei besonders interessant. Auf jeden Fall hast du immer diese Briefchen dazugeschrieben. Du hast sie alle gleich begonnen und auf alle hast du eine kleine lachende Sonne und ein paar schiefe Herzchen gemalt. Manchmal sogar meinen Hund und die Katze, die dann beide auch ganz schief aussahen.
Du tust das noch heute. Obwohl ich lange erwachsen bin, schickst du mir meine Lieblingsschokolade, immer mit einem dieser Briefe, und egal wo du bist, ich bekomme jedesmal eine Ansichtskarte von dir. Ich tue das nie. Ich schreibe dir keine Karten und nur ganz selten Briefe, und, obwohl ich es mir vornehme, verschiebe ich es immer wieder auf morgen. Es ist nur so: Irgendwann wird es kein Morgen mehr geben - all meine Worte werden dann vergebens sein. Du hast einmal gesagt, du hättest viele Fehler gemacht als Mutter. In Wirklichkeit aber hast du auch tausend Dinge richtig gemacht. Tausend kleine Dinge, die in ihrer Summe viel schwerer wiegen. Mit dem Brief, den du je an mich geschrieben hast, mit jeder Tafel Schokolade, mit jedem Zeitungsausschnitt und mit jedem schiefen Herzchen hast du mir gezeigt, dass du an mich denkst. Du hast dir Zeit genommen und dich hingesetzt, ein paar Worte geschrieben und den Brief zur Post gebracht.
Fast alle habe ich aufbewahrt - einen ganzen Stapel kleiner Zetttel, die sich nun in einem alten Karten türmen. Manchmal sehe ich sie mir an, die vielen lachenden Sonnen und die kleinen Herzchen, und ich frage mich, wie es sein wird, wenn ich eines Tages keine Zettel mehr bekomme. Ob ich dir oft genugt gesagt habe, wie sehr ich mich darüber freue; ob ich mir auch so viel Zeit für dich genommen habe.
Wenn ich ehrlich bin: Die Antwort ist nein. Ich musste erst erwachsen werden, um zu erkennen, dass nicht die großen Gesten im Leben entscheidend sind, sondern eben die kleinen Dinge. Ein Gedanke. Ein Wort. Oder auch nur vier Sätze. Wie diese hier: Ich liebe dich. Nicht trotz allem. Sonder wegen allem - und für alles. Und auch wenn ich keine Briefe schreibe - du bist immer in meinen Gedanken.