Die armen Kirchenmäuse sollen es gewesen sein. Weil sie nicht zu beißen hatten, nagten sie den Blasebalg der Orgel kaputt. Eine schöne Beschwerung für Pfarrer Joseph Mohr: Kein brausender Orgelklang würde die knurrenden Mägen seiner Schäflein gnädig übertönen – ausgerechtet an Weihnachten, in jenem Hungerwinter 1818, im gottverlassenen Oberndorf an der Salzach. Eine schwere Zeit: Die Napoleonischen Kriege waren zu Ende gegangen, und Europa hatte auf dem Wiener Kongress eine Neuordnung erfahren.
Weil aber Musik zur Christmette gehört wie das Amen in der Kirche, schrieben der Pfarrer und der Organist über Nacht ein neues Stück für Chor und Gitarre. Ein Orgelbauer aus dem Zillertal,, der Jahre später den Blasebalg flickte, fand eine Abschrift und gab sie als „Volkslied“ weiter.
Was dann mit dem Lied geschah, ist Geschichte. Die beiden musikalischen Handwerkerfamilien Strasser und Rainer tragen es aus dem Zillertal in die Welt hinaus: Die Rainers singen es 1822 auf Schloss Fügen vor Kaiser Franz I. und Zar Alexander I. und 1839 sogar in New York vor der ausgebrannten Trinity Church; die Strassers sorgen damit in Leipzig für Furore, wo das Lied 1840 zum ersten Mal gedruckt wird. Preußenkönig Friedrich Wilhelm lässt im Jahr 1853 vor Begeisterung sogar nach den Verfassern forschen.
Wenn es damals schon GEMA-Gebühren für Urheberrechte gegeben hätte, wären sie steinreich geworden mit ihrem heiligen Hit: „Silent Night“ sing Bing Crosby 1945, „Shizukeki majonaka“ jubilieren die Japaner, und „Ebunuku obungowele“ klingt es bei denZulus. Die ganze Welt singt in über 100 Sprachen das 190 Jahre alte Lied. Und alle Jahre wieder feiert Oberndorf mit einer Gedächtnisse dessen „Väter“: als Komponisten den Dorflehrer und Organisten Franz Xaver Gruber und als Textdichter den Hilfspfarrer Joseph Mohr.
Quelle: Herbert Kistler, TV Hören und Sehen, 51/08